Party: Live at Gonzo / Odd Couple ( D)
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Odd Couple, Cargo Records, VÖ: 2018
Wer etwas über den GleichmutunddieLakonie der Ostfriesen lernen möchte, sollte sich den Grimme prämierten Dokumentarfilm Schnaps im Wasserkesselvon Hans-Erich Vietanschauen. Eigentlich genügt bereits der einminütigeAusschnitt auf YouTube, in dem sichdiestoischeLandarbeiterin Katharina Wilkens mehrmals bitten lässt, bevor sie in Zeitlupe dieTeetasse gegen ihre Mundharmonika eintauscht, um dem Regisseur und Zuschauer „In Ostfriesland ist esam besten“ vorzuspielen.Was die ältere Dame im Fernsehsessel außer ihrer Herkunft mit derBand Odd Couple gemeinsam hat? Gelassenheithinsichtlichäußerer Erwartung, einUrvertrauen in das eigene Tempo und eine Performance, auf die Verlass ist. Allen voran jedoch einegesunde SkepsisunnötigemGefaselgegenüber.In Bezug auf die Phrase Yada Yada spricht das Urban Dictionary von einem „conversation glosser-over“ ähnlich wie blah, blah, blahund und so weiter und so fort.Das kann wortkargen Ostfriesen ganz gut in den Kram passen. Das gleichnamige Werk von Odd Coupleist das dritte Album der Wahlberliner. Passend zur Trilogieformiert sich Das Duo mittlerweilemit dem Franken Dennis Schulze als weirderDreier.Arbeitete sich ihr Debut It’s A Pressure To Meet You mitvehementemGaragesound an der Oberfläche von Großstadtposen und urbanen Smalltalk ab, wagte der Nachfolger Flügge mit dem wahrscheinlich schönsten deutschsprachigen Albumtitel aller Zeiten einen musikalischen Absprung und lernte Genregrenzen überfliegen. Das kaleidoskopartige Coming of Age-Album erinnerte in seinem eklektischen Stil trotz Rocklabel zum Teil an einfallsreiche Hiphopalben. Die Lyrics, dieweiterhin simplen Hedonismus mieden, oszillierten zwischen System-und Selbstkritik und spitzen sich in der Songzeile „Du weißt genau,dass du jetzt was ändern musst“ zu.Was folgt also nach dem Sprung in die Spree und nach dem Schwimmen lernen?Blah? Tatsächlich scheint das Unbehagen, das die Band hinsichtlich Selbst und Welt spürt, noch nicht überstanden. Wie auch,in einer Zeit, die stolz Komaglotzen und Kollektivprokrastination nach oben hält und in der die Likes auf dem Display wichtiger sind alsder frierende Obdachlose zuFüßen.Dass dieser Weltschmerz nie larmoyant, sondern immer alspräziser Balanceakt zwischen berechtigter Beschwerde und lässigem Schulterzucken gelingt, ist der eigentliche Trickvon Odd Couple. 1:1 ist nicht vorbei. Und Dystopia ist eben längst hier. Odd Couple machen also weiter mit Spiegelblick und gnadenloser Bestandsaufnahmevon first world problems,im Wissen, dasssich ihre Millenialgefühledabeiim Kreis drehen.Du postest deinen Avocadotoast, ich leb ein bißchen Rock’N’Roll, morgen geht die Welt unter, yada yada.
Unterm Augenlid sticht’s, heißt esdeshalbim Song ‚Vielfraß’. Das Albumcover von Comiczeichner Paul Paetzel bildet keinen Angry Young Manab, sondern einen erschöpften Skeptikermit blutunterlaufendem Seitenblick.Odd Couple legen das Burnout derklugen Gefühle in denText, nicht aber in die Art des Vortrags oder ihreAttitüde.Und auch ihre Ironie kommt nie zu clever oder zu meta, sondern sympathischtrocken daher. Statt hysterischen Albernheiten, gibt es gut dosierten Kasperkram. Statt sleazy Chauvinismus,romantische Dezenz undhöfliche Auslassungen, wenn es um das Vokabular des Begehrens geht. Und doch bleibtLiebeals epische Kleinformder einzige Trumpf, wenn die Flucht auf’s Land, Ideen über gemeinsame Kinderund Reisen nach Kalifornien und Saigon irgendwie nicht gegen die globalen Schuldgefühle und die digitale Vernebelung ankommen.Die Lyrics mögen im Kreisirren -sowohl im Song Yada Yada, als auch inKatta kommt der Weg ohne Planvor-dochwirddie musikalische Suche nach ihm das sprichwörtlicheZiel. Experimenteller und reifer als auf Flügge transzendiertauf Seiten der Musik das, was sprachlich nichtaufgelöst werden kann. Die Schwere der selbstkritischen Nabelschau hebt ab und findet befreiende Katharsis in druckvollemGitarrenbrett und beschwingten Stöhnen, in kosmischen Schüssen und außerirdischen Synthesizersphären, in nostalgischem Glam und mitreißendenRiffs. Übergänge gestalten sich innovativerund Rhythmuswechsel überraschender. Die Länge der Titel gibt Popstrukturen mehr Platzzum freien Auslauf. Dieses Aufbrechen und Emanzipieren, der Sieg der Sinne über den Sinn,gelingt Odd Couple in Gesang und Arrangement derartunaufgeregt und organisch, dass es nie so wirkt, als würde sich das lyrische Ich über seine Klage allzu sehr den Kopf zerbrechen. Eine Art musikalische Text-Bild-Schere. Und es ist genau diesePaarung seltsamer Gegensätze, Deich und Metropole,Nahes und Kosmopolitisches, das Deutsche und das Englische, lethargischer Text und aktionistische Musik, Dehns Schnauze undKrefts Tenor,die zu einem genuinen Spannungsfeld führt, das immensen Spaß macht.„Ich lauf den ganzen Weg alswüsste ich wo lang, doch die Wahrheit ist, ich rat nur und hab gar keinen Plan“ -die selbstdiagnostizierte Planlosigkeit und das YadaYada sind so gesehen Nebelkerzen; Ostfriesisches Understatement. Und genau dasmacht den Zauber aus. Wie bei Frau Wilkens, wenn sie selbstvergesseninihre Mundharmonika bläst.